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Offshore-Windenergie: Verzicht auf Förderung birgt Risiken

Am 3. April 2018 endet die Gebotsphase der zweiten Ausschreibungsrunde für Windenergieanlagen auf See. Ausgeschrieben sind in dieser Runde insgesamt 1.610 MW, von denen mindestens 500 MW in der Ostsee bezuschlagt werden müssen. Experten der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erwarten einen intensiven Wettbewerb um die Zuschläge, in dem es erneut zu Null-Cent-Geboten - also zu einem vollständigen Verzicht auf staatliche Förderung - kommen könnte. Dafür spricht unter anderem, dass Projekte mit einer Kapazität von circa 3.250 MW in der Nordsee und etwa 1.700 MW in der Ostsee die formalen Bedingungen erfüllen, um an der Ausschreibung teilzunehmen. Die Ausschreibung wäre damit um das 3-fache überzeichnet. Hinzu kommt, dass die aktuelle Ausschreibungsrunde für Eigentümer sogenannter bestehender Projekte die letzte Möglichkeit darstellt, einen Zuschlag für ihr Projekt und damit auch einen Netzanschluss zu erhalten. Das bedeutet: Wer keinen Zuschlag erhält, kann die eigenen Projektpläne nur noch im Rahmen des sogenannten "zentralen Modells" umsetzen und muss dabei gegen andere Bieter um die vormals eigene Fläche konkurrieren - Der ursprüngliche Entwickler erhält nur noch ein Eintrittsrecht zum niedrigsten Gebot.

"Ein Großteil der Branche hält eine Vergütung von fünf bis sieben Cent pro Kilowattstunde für wirtschaftlich erforderlich, um einen Offshore-Windpark im Jahr 2025 in Betrieb zu nehmen", sagt Heiko Stohlmeyer, Leiter Erneuerbare Energien bei PwC. "Der hohe Konkurrenzdruck könnte die Gebote aber unter das Vergütungsniveau drücken, das für eine wirtschaftliche Inbetriebnahme notwendig ist." Die kürzere Realisierungsfrist von Projekten in der Ostsee könnte dort zu tendenziell höheren Geboten als in der Nordsee führen, so Stohlmeyer.

Vollständiger Verzicht auf Förderung birgt aktuell Risiken

Dass steigender Wettbewerbsdruck zu sinkenden Vergütungen führt, ist aus Sicht der PwC-Experten grundsätzlich positiv. Ein vollständiger Verzicht auf staatliche Förderung zum gegenwärtigen Zeitpunkt birgt allerdings auch Risiken. Weil die in der letztjährigen Ausschreibung erfolgreichen Projekte erst in den Jahren 2024 und 2025 ans Netz gehen, beruhen diese Gebote auf verschiedenen Annahmen der Bieter zur zukünftigen Marktentwicklung. Wesentliche Faktoren sind diesbezüglich die zukünftige Strompreisentwicklung, die technische Weiterentwicklung der Windenergieanlagen sowie die Kosten für den Betrieb.

"Null-Cent-Gebote sind eine Wette darauf, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme die Herstellungskosten für Offshore-Strom niedrig und die Erlöse am Strommarkt hoch sein werden", sagt Norbert Schwieters, Leiter Energiewirtschaft bei PwC. So könnten bis Mitte des kommenden Jahrzehnts Turbinen mit einer Leistung zwischen 10 und 15 MW installiert werden, was in etwa einer Verdopplung der derzeit technisch umsetzbaren Leistung entspräche. Der Wegfall von Erzeugungskapazitäten aus Atom- und Kohlekraftwerken sowie eine Verteuerung von Emissionszertifikaten könnten zeitgleich für einen steigenden Börsenstrompreis sorgen. "Wenn diese Effekte aber nicht oder nicht im erwarteten Umfang eintreten, steht die Umsetzung der Projekte in Frage", so Schwieters.

Dies hätte weitreichende Folgen: So müssen Bieter, die sich nach Erhalt eines Zuschlages in den Ausschreibungen noch gegen einen Bau des Windparks entscheiden, eine Vertragsstrafe zahlen und einen empfindlichen Rückschlag im Hinblick auf die eigenen Unternehmensziele fürchten. Ähnliches gilt auch für die Politik: ein Rückzug der Unternehmen würde Deutschland beim Ausbau der erneuerbaren Energien und damit beim Erreichen der eigenen Klimaziele erheblich zurückwerfen.

Langfristig wird Offshore-Windenergie wettbewerbsfähig sein

Insofern könnte eine moderate garantierte Vergütung die genannten Marktrisiken abmildern und so zu einer stabilen und nachhaltigen Entwicklung der Offshore-Windenergiebranche in Deutschland beitragen - zumindest für einen gewissen Zeitraum. Die Niederlande, die kürzlich im Rahmen einer 700 MW-Ausschreibung von vornherein auf eine Vergütungsgarantie verzichteten, dienen insofern aus Sicht der PwC-Experten noch nicht als Vorbild. Hierbei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Rahmenbedingungen in den Niederlanden nicht 1:1 mit denen in Deutschland vergleichbar sind.

Dennoch werden die mit dem Bau und Betrieb von Offshore-Windparks verbundenen Kosten weiter sinken. Die Ausschreibungsergebnisse der vergangenen Jahre in Deutschland und Europa veranschaulichen diesen Trend eindrucksvoll (siehe beigefügte Grafik). Trotz der möglicherweise zugrunde liegenden strategischen Überlegungen der jeweiligen Bieter zeigen die bisherigen Null-Cent-Gebote, dass Offshore-Windenergie gegenüber anderen Energieträgern zunehmend wettbewerbsfähig ist. Zudem ist bewiesen, dass Windparks auf See zuverlässig und stetig Strom liefern und somit zur Versorgungssicherheit beitragen können - bei über 4.000 Volllaststunden im Jahr.

Fortschritte rechtfertigen Anhebung der Ausbauziele

"Der weitere Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland ist volks- und energiewirtschaftlich sinnvoll", so PwC-Experte Norbert Schwieters. "Zudem gehören Windenergieanlagen auf See zu den sinnvollsten Maßnahmen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Eine Anhebung der Ausbauziele wäre aufgrund der bisher erzielten Fortschritte gerechtfertigt und würde darüber hinaus zu weiteren Effizienzsteigerungen und Skaleneffekten führen."

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