Triora - Städtchen in den Bergen Liguriens

Unheimliches scheint zu geschehen, aber - nichts rührt sich. Bestimmt Einbildung. Langsam gehe ich weiter durch ein Passagenwerk aus mittelalterlichen Arkaden, Durchlässen und Bogengängen. Die Gasse wird noch schmaler und endet plötzlich vor einem halb verfallenen Haus. Ich drehe mich um. War das eine Stimme? Wo ist der Ausgang aus diesem Labyrinth?

Triora ist unheimlich: Von Hexenprozessen und finsterer Vergangenheit ist die Rede. Ein wohldosiertes Schaudern, ein bisschen Hexenfolklore, das Grauen längst in Sehenswürdigkeiten verwandelt. Aber das Dorf in den ligurischen Bergen ist wirklich unheimlich. Nur nicht da, wo man es erwartet. Die "Cabotina", eine Ruine, die den als Hexen verfolgten Frauen als Treffpunkt diente, macht keine Angst. Das "Musen Regionale Etnografico e Bella Stregoneria" - Heimat- und Völkerkundemuseum mit einem Zusatz-Schwerpunkt in Hexenkunde - lässt einen kalt, vielleicht, weil alles so liebevoll aufbereitet ist, weil Signora Anna Saldo so freundlich über die Säle wacht. Vom Schrecken der 30 Frauen, die in Triora 1587 im Auftrag kirchlicher Inquisitoren und eines Kommissars aus Genua zu Tode gefoltert wurden, ist hier nichts zu spüren.


So vieles kann man arglos genießen in Triora: die ligurischen Antipasti im "Colomba d'Oro" Honig und bruzzo, eine Käsespzialität aus fermentierter Ricotta, in "La Strega di Triora", dem kleinen Laden am Corso Italia. Auf dem Tennisplatz unterhalb des Dorfes schlagen sich Schulmädchen Bälle zu. Aber sobald man durchs Quartiere della Sambughea geht, den ältesten Teil des Dorfes, taucht man ein in eine andere Welt. Nichts ist hier mehr zu spüren von der hellen Leichtigkeit der Riviera, obwohl die Küste mit dem azurblauen Meer kaum 30 Kilometer entfernt ist.

Geschützt von einer Befestigungsmauer hat sich in Triora ein mittelalterliches Geflecht aus überbauten Gängen erhalten. Eine Art Tunnelsystem, so außergewöhnlich, dass es im lokalen Dialekt ein eigenes Wort dafür gibt: carugi. Mal öffnet sich der Hohlweg überraschend zu einem sonnigen Plätzchen - ein Garten voller Rosmarin und Stockrosen, eine weinberankte Terrasse, Stille. Ein paar Meter weiter endet eine eingestürzte Treppe im Nichts, ein ausgetretener Steinweg, so steil, dass man eiserne Handläufe ins Mauerwerk eingelassen hat, führt vor ein morsches Haus mit verwitterter Fassade. An einer Holztür, die nur noch halb in den Angeln hängt, ein Schild: Vendesi, zu verkaufen. Es riecht nach modrigem Stein; Flechten, Moose und Sträucher haben vom Mauerwerk Besitz ergriffen.

Es macht einen fröstelnd zwischen diesen Häusern, von denen keines den verfolgten Frauen Zuflucht bot. Bergab, aufs Licht zu, wird die steinerne Kaskade der Häuser jäh gebremst vom Corso Italia, der Verbindung zur Welt jenseits der Berge.

Vom kleinen Balkon im Hotel "Colomba d'oro", blickt man über die hölzerne Brüstung ins Tal, und Triora wirkt wie ein freundliches Dorf aus Heidis Bergwelt: So sanft und grün sind die Hügel, so süß ist der Duft des runden Sauerteigbrotes Parte di Triora, der vom Nachbarhaus herüberweht. Zwei Kühe weiden im Tal, leise läuten ihre Glocken bis ins Dorf, jeder Ton klingt nach Frieden und harmlosem Landleben.
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