Normandie - Camembert, Cidre, Calvados - Geschichte und Leben

Eine geschichtsträchtige Ecke voll farbiger Leichtigkeit, aber auch gotischer Strenge. Die Menschen zurückhaltend, doch offen für Genüsse. Schließlich ist Nordfrankreichauch die Heimat von Camembert, Cidre und Calvados.

Auf dem Marktplatzvon Deauville trägt man es mit Fassung, wenn Schloßbesitzer Gérard Depardieu beim Einkauf Camembert und Brie mit prüfendem Daumendruck ein unübersehbares Autogramm verpaßt. Der Filmstar ist berühmt, sieht aber auch nicht anders aus als ein normannischer Viehzüchter oder Calvadosbrenner. Ergießt sich dann im Sommer zur Zeit der Filmfestspiele und Pferderennen eine mondäne Schar von Franzosen und Fremden nach Deauville an der Côte Fleurie, verschwindet auch er hinter seinen Mauern. Manche meinen, der Badeort an der französische Kanalküste sei dann sowieso das 21. Arrondissement der Pariser. Aber ob man nun in Deauville Krabben pult oder in dem malerischen Hafenstädtchen Honfleur warme Austern und Lammkotelett bestellt - Cidre und Calvados gehören immer dazu. Angeblich kommen hier ja schon die Babys mit Apfelbäckchen zur Welt. In einer Landschaft, die im Frühjahr von blühenden Apfelbäumen bestimmt wird und im Herbst von Pyramiden rotgoldener Früchte in den Gärten.


Die Normandie, geprägt vom Meer und dem grünen Hinterland, liegt zwischen Bretagne, Picardie und Ile de France. Leuchtende Kreideklippen und feine Kieselstrände im Norden, Dünen und flache, mit Felsnasen gespickte Sandstrände Richtung Westen. Alte Bauernhäuser im Seine-Tal, auf deren strohgedeckten Dächern Schwertlilien wachsen. Überall stolze "manoirs", schloßähnliche Herrensitze mit romantischen Holztürmchen. Eine Reise durch die Normandie ist auch ein Streifzug durch Kunst und Geschichte. Rouen, auf dessen Marktplatz 1431 Jeanne d' Arc verbrannt wurde. Rouen, im 19. Jahrhundert von Gustave Flaubert, dem Sohn der Stadt, als Welt der Madame Bovary beschrieben. Die mittelalterliche klösterliche Küstenfestung Mont-Saint-Michel auf dem 75 Meter hohen Granitfelsen gilt als französisches Nationalheiligtum, wird von Bretonen und Normannen gleichermaßen eifersüchtig als Besitz erachtet.

Den perlmuttfarbenen Himmel macht der Normandie keiner streitig. Dieses Freiluft-Atelier mit seinen im Licht explodierenden Farben der Natur inspirierte den Maler Claude Monet zum Impressionismus. Sein ehemaliger Besitz in Giverny ist heute eine Art Wallfahrtsort. Viele junge Leute pilgern dorthin, so wie sonst nur nach Paris zum Grab des Rockidols Jim Morrison. Da sitzen sie fast ein bißchen feierlich in Monets Blumengarten, der so paradiesisch ist wie vor hundert Jahren. Am nächsten Tag machen sie dann einen Abstecher zur Brückenruine bei Beny-Bocage zum Bungee-Jumping und lassen sich dort von einem 60 Meter hohen Pfeiler an einem Gummiseil in die Tiefe fallen.

In der Normandie fließen übrigens auch Sahne und Creme fraîche in Strömen. Jedes zweite Gericht ist "à la crème", auf Kalorien darf man da nicht achten. Im Dörfchen Camembert erfand die Bäuerin Marie Harel den unvergleichlichen Käse, und in Fécamp, der Geburtsstadt des Schriftstellers Guy de Maupassant, kam man auf den Likör Bénédictine. Die Kameliendame war ein Mädchen der Normandie, von ihr lernten Pariser Lebemänner, wie man Kaffee auf normannisch trinkt: In die fast leere, noch warme Tasse kommt ein Schuß "Calva". Ein Schluck, der auch heute noch in jedem Café in der Normandie zum täglichen Ritual gehört.

Besonderheiten der Normandie
Die Normandie hat mehr als 600 Kilometer Küste, wahlweise mit Highlife oder Fischer-Idylle. Die Brandung zieht Surfer an, die festen Ebbestrände locken Windsailer. Das fruchtbare grüne Hinterland ist ideal für Wander- und Radtouren oder Reiterferien. Zum Kennenlernen von Land und Leuten gibt es etliche malerische Routen, zum Beispiel die Straße der Dichter, der Maler, der berühmten Frauen, der Kathedralen, der Schlösser, der Gestüte und des Käses.

Kunst und Kultur
Die Kathedrale Notre-Dame in der Altstadt von Rouen gehört zu den schönsten gotischen Kirchen Frankreichs. Viele Museen, darunter eines über das Leben der Jungfrau von Orléans. In Bayeux hängen in der Kathedrale die "Tâpisseries" - ein über 70 Meter langer Bildteppich über die Eroberung Englands durch die Normannen. Zahllos sind die Schlösser, Burgen und Herrensitze. Im Departement Eure sind erstmals viele Privatbesitze Besuchern zugänglich. Auf dem Friedhof in Varengeville liegt Georges Braque begraben, er entwarf das blaue Fenster der Kapelle.

Veranstaltungen
See- und Hafenfeste gibt es zum Beispiel in Honfleur, Courseulles und Port en Bessin. Fécamp feiert mit vielen Aktionen ein Guy-de-Maupassant-Jahr. Die berühmte Wallfahrt zum Mont-St-Michel findet jedes Jahr im Juli statt: sieben Kilometer barfuß durchs Wattenmeer. Coutances hat im Mai sein Jazz-Festival unter Apfelbäumen. Tausend Jahre normannische Geschichte bietet Schloß Martainville bei Rouen von Juni bis August in einem 90-minütigen Spektakel: 350 Schauspieler, Pferde, tolle Kostüme und Effekte.

Essen und Trinken
Spezialitäten: Seezunge à la Morny, Jakobsmuscheln, Ente à la Rouennaise, Schinken in Cidre, Crêpes, Blätterteig-Äpfel. Lammgerichte mit typischem "pré salé"-Geschmack. Restaurants: "Couronne" in Rouen - gepflegt (auch die Preise). In ist hier auch "Le Business" im American style. Große-Welt-Atmosphäre in der "Ferme Saint-Simeon" vor den Toren von Honfleur. In Honfleur: "Le Perroquet vert" und die Brasserie "Des Flots". Szene-Treffs: Superschick ist es, in Deauville im Hotel "Normandy" den Tee oder Kaffee zu nehmen. Eis-Essen bei "Martine Lambert" oder im "Café de Paris". Junges Publikum in Trouville in "La grande Crêperie" - mit tollem Meerblick.